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Trotz der Schwergewichte aus Barcelona und Madrid leidet der spanische Fussball unter einem Komplex. Das soll sich ändern – und zwar um jeden Preis.
Die Bilder sind noch frisch, sie füllten die wenigen Wochen zwischen dem Ende der Fussball-WM und dem Start in die Saison in Europas wichtigsten Ligen. 101 254 Zuschauer füllten beispielsweise das Michigan Stadium. Sie sahen, wie Xherdan Shaqiri für Liverpool gegen Manchester United mit einem traumhaften Fallrückzieher das 4:1 erzielte.
Manchester City zog bei seinen drei Testspielen in drei US-Städten gegen Borussia Dortmund, Bayern München und Liverpool 200 000 Zuschauer in die Stadien. Die englische Premier League – sie ist nicht nur die reichste Liga der Welt, sondern auch auf dem ausländischen Markt begehrter als jede andere.
Nimmt man hingegen Resultate als Massstab, wird nirgendwo erfolgreicher Fussball gespielt als in Spanien. Seit 2013 stellt man den Sieger der Champions League; vier Mal gewann Real Madrid, ein Mal Barcelona. Auch die Europa League beherrschen die spanischen Vereine: Vier der fünf letzten Austragungen endeten mit dem Sieg eines spanischen Klubs.
Sportlich macht dem Land des Weltmeisters von 2010 keiner etwas vor. Doch im Vergleich mit England, aber auch mit der Bundesliga hinkt man in puncto globaler Strahlkraft trotz der Schwergewichte aus Madrid und Barcelona hinterher. Geht es nach den Ligabossen, soll sich das schon bald ändern.
Am Tag des Ligastarts verkündeten sie, dass künftig ein Spiel pro Saison in den USA ausgetragen wird. Ziel: die Erschliessung des Marktes. «Es ist unser Auftrag, die Leidenschaft für Fussball in der Welt zu steigern», lässt sich Ligaboss Javier Tebas zitieren. Die Fäden zieht das in New York ansässige Unternehmen Relevent, das schon die Testspiele der Premier-League-Vereine in den USA zum Kassenschlager gemacht hat. Die Expansion nach Übersee ist nur die Fortsetzung einer Strategie, die den spanischen Klubfussball aus dem Schatten der Premier League und der Bundesliga katapultieren soll.
Zur Erschliessung des so wichtigen asiatischen Marktes wird seit 2011 ein Spiel am Sonntag bereits um 12.00 Uhr angepfiffen. In einem Land, in dem sich das gesellschaftliche Leben überwiegend nach Sonnenuntergang abspielt, ein Affront. Keine der zehn Partien pro Spieltag, der auf vier Tage von Freitag bis Montag verteilt ist, findet zur gleichen Zeit statt.
Das alles geschieht, um den Bedürfnissen der TV-Zuschauer zu entsprechen. Und diese sitzen längst nicht mehr nur in Madrid, Barcelona, Valencia und Sevilla. Sondern auch in Bhutan, Afghanistan, Nepal, Sri Lanka, auf den Malediven, in Pakistan und Indien.
Dort, in der Hauptstadt Neu-Delhi, haben die Ligabosse bereits vor zwei Jahren eine Niederlassung eröffnet, um die Expansion voranzutreiben. Im Sommer landete man einen weiteren Coup: In den nächsten drei Jahren überträgt Facebook 380 Partien der Primera División live und gratis. Wer die Spiele mitverfolgen will, braucht weder einen Fernseher noch eine Kneipe, in der die Spiele gezeigt werden. Ein Konto bei Facebook reicht. Die Region zählt 1,7 Milliarden Einwohner. Alleine in Indien zählt Facebook 270 Millionen Nutzer – mehr als in jedem anderen Land der Erde.
Wie viel Facebook für die Rechte bezahlt, ist nicht bekannt. Die Strategie hingegen ist offensichtlich: Einerseits soll das abgeflaute Nutzerwachstum wieder angekurbelt und die Verweildauer auf der Plattform erhöht werden.
Verantwortlich dafür ist der frühere Eurosport-Chef Peter Hutton, bei Facebook Direktor für Global Live Sports. «Es ist nichts, was eine grosse Gefahr für die Fernsehwelt wäre», sagt er zur Agentur Reuters. Stimmen die Zahlen, die das Sports Business Journal 2017 unter Berufung auf gut unterrichtete Kreise nannte, ist diese Äusserung allerdings blanker Hohn. Demnach soll Facebooks Sportrechteabteilung über ein Budget von mehreren Milliarden Dollar verfügen.
Facebook bezeichnet die Partnerschaft als «Experiment und nicht als Zeichen dafür, dass das Unternehmen eine Reihe weiterer Deals ankündigen wird.» In den USA testet der Internet-Gigant Werbung für Live-Inhalte, es ist denkbar, dass dieses Prinzip auch auf Spiele der Primera División ausgeweitet wird. Daraus, dass die spanische Liga als Testobjekt dient, macht Facebook kein Geheimnis. Man prüfe spezifische Rechte in bestimmten Märkten und versuche, aus diesen Erfahrungen zu lernen, um herauszufinden, was der nächste Schritt ist.
«Wir sind sehr froh, in einem so wichtigen Gebiet wie dem indischen Subkontinent frei empfangbar zu sein», freut sich Alfredo Bermejo, der Leiter der digitalen Strategie bei La Liga. «Eines unserer Ziele ist es, unsere Inhalte einem möglichst breiten Publikum anzubieten, die Partnerschaft mit Facebook ist darum von zentraler Bedeutung.»
Was er dabei vergisst: Mit 2,526 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr ist die spanische Liga bereits heute die drittstärkste nach England und der Bundesliga. Trotzdem schuldeten die Klubs per 1. Januar 2016 alleine dem Finanzamt 500 Millionen Euro. Die Gesamtverschuldung betrug 3,5 Milliarden Euro. Seine Seele hat der spanische Fussball längst verkauft. Am vergangenen Sonntag gewann Barcelona gegen Sevilla den Supercup 2:1. Austragungsort: Tanger in Marokko.